Es gibt Beziehungen, die beginnen hoffnungsvoll, fast romantisch. Und dann gibt es meine Beziehung. Eine dieser ungesunden, emotional erschöpfenden Verbindungen, über die man in Therapiekreisen flüstert: toxisch, aber leider alternativlos.
Wir führen seit Jahren eine Beziehung, meine Freundin und ich. Eine jener Verbindungen, die in Behördenkreisen vermutlich als ordnungsgemäß festgestellt gelten würden—im Alltag jedoch eher als „Love-Hate“-Fallakte geführt gehören. Aber wie so oft im Leben steckt man fest – emotional, ökologisch, verkehrstechnisch.
Meine Freundin besitzt jene Art von Charakterfestigkeit, die man in alten Verwaltungsschriften als Regeltreue bezeichnete. Sie kommt zuverlässig zu spät – nicht aus Bosheit, sondern aus Charakter. Die Freundin, die noch schnell „etwas erledigen“ muss, bevor sie erscheint – sei es ein ungeplanter Aufenthalt im Nirgendwo oder ein mystisch klingender „Triebwerkstausch“, der ausschließlich passiert, wenn ich im Zug sitze.
Bisweilen kommt sie jedoch nur unter großer Mühe – und gelegentlich kommt sie gar nicht. Doch wenn sie kommt, dann auf diese Harry-und-Sally-Art: „I’ll have what she’s having.“ Ein Leistungsversprechen nach Musterformular 7b – Ergebnis offen.
Neulich beschloss ich, unsere Beziehung zu stabilisieren, und wandelte mein Probeabo in ein Jahresabo um. Online bezahlt, also gemäß heutigem Standard sofort nutzbar – doch meine Freundin arbeitet nach Vorschriften, die vermutlich noch in Fraktur verfasst wurden. Die BahnCard schwebte erst im digitalen Nirwana, um sodann „in der darauffolgenden Kalenderwoche“ – wie es im Ton solcher Schreiben heißt – aufzutauchen.
Reisen musste ich trotzdem, nur eben ohne die Karte. Der Kontrolleur zeigte Verständnis – er kennt meine Freundin wohl gut. Sie hingegen bestand auf 7 Euro zusätzlich – für eine Leistung, die sie selbst ordnungsgemäß verunmöglicht hatte.
Ich griff also zum Telefon, mehrfach. Ich wollte den Sachverhalt – wie es sich in einer guten Beziehung gehört – persönlich klären. Doch meine Freundin hat mich geblockt. Nicht nur mich, sondern auch meine Nachbarin und, wie es scheint, zahlreiche Personen, deren Nummer nicht mit +49 beginnt. Es ist, als habe sie im Stillen verfügt, Kundschaft beginne bei +49 – und ende dort, wo ein klingelndes Ausland die hermetische Ruhe ihrer Amtsstube stört.
Da blieb nur der Schriftweg. Und, wie es der Verwaltungsetikette entspricht, kehrte dann nach einigen Wochen ein Schreiben zurück, dessen Inhalt zwar umfangreich, jedoch von bemerkenswerter materieller Leere war. Formulierungen wie aus der Endlosschleife eines Aktenvermerks: höflich, korrekt, unberührt von jeder Wirklichkeit, und stets mit dem stillschweigenden Hinweis verbunden, man habe sich gefälligst selbst zu hinterfragen.
Und dann, exakt acht Wochen später, geschah, was in solchen Fällen offenbar vorgesehen ist. Sie schickte ihren großen Leibwächter vor. Nicht Blumen. Nicht Entschuldigung. Sondern Riverty. Zum Glück war ich nicht zu Hause. Meine WG beschreibt einen Mann mit fester Stimme, formal einwandfrei, aber in seiner Art so unangenehm verbindlich, dass man unweigerlich vermutet, ich sei in fragwürdige Geschäfte verstrickt.
Dabei habe ich nichts falsch gemacht. Was hier stattfindet, ist das Ritual einer Bürokratie, die lieber ihre Vorschriften pflegt als ihren Verstand. Meine Freundin ist die vollendete Verkörperung der Enttäuschung par excellence – aber eben die einzige, die einen überhaupt irgendwohin bringt.
Nun stehe ich wieder am Bahnsteig. Der Wind pfeift, die App flackert, die Verspätung wächst. Ich weiß, sie wird kommen. Irgendwann. Vielleicht heute. Und wenn sie kommt, quietschend, polternd, selbstverständlich zu spät – werde ich einsteigen.
Denn ich kann nicht mit ihr.
Aber … ohne sie …
geht es eben auch nicht.
- zur Veröffentlichung in der SZ freigegeben ↩
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