Offener Brief an ein renommiertes Heidelberger Restaurant

Menschen mit Würde behandeln

Ich bin nach Heidelberg gezogen, wie so viele junge Menschen, um zu studieren. Als ich in dieser wunderbaren, alten Stadt ankam – groß, blond und mit wunderschönen blauen Augen – wurde mir sehr schnell klar, dass Äußerlichkeiten allein keinen Schutz vor Vorurteilen oder Diskriminierung bieten. Ich sah mich mit einer bedauerlichen Form von Diskriminierung konfrontiert, die als gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit (GMF) bekannt ist.

Gleich in meinem ersten Semester habe ich Kontakt zu einer Gruppe gefunden, die ausländische Touristen und Student*innen zusammen zu einem gemeinsamen Mittagessen in einem renommierten Heidelberger Restaurant bringen. Ziel des Unternehmens war es den Touristen eine Möglichkeit zu geben, mit Einheimischen in Deutschland zu sprechen. Vor allem die Begegnung mit jungen Student*innen bat einen gegenseitigen Austausch dar. Denn die Touristen erfahren im Gespräch etwas über Deutschlands älteste Universität aus Sicht einer jüngeren Generation.

Da die meisten der Tourist*innen kein Deutsch sprechen, gibt diese Begegnungen den Student*innen eine hervorragende Möglichkeit, ihren Sprachkenntnissen auf die Probe zu stellen. Für mich hatten diese Begegnungen etwas bereicherndes an sich. Jedes mal, als der Anruf kam, ob ich diese oder nächste Woche mitmachen könne, habe ich mich riesig gefreut. Denn die Touristen kamen aus aller Welt. Sie hatten tolle, bunte Geschichten zu erzählen und freuten sich sehr, auf das gemeinsame Essen mit uns.

Aber nach nur wenigen Wochen habe ich gemerkt, da stimmt etwas nicht. Die Mitarbeiter*innen im Restaurant verhielten sich extrem unfreundlich den Student*innen gegenüber. Am Anfang tat ich das ab.

„Oh, well… S/he must be having a bad day!“ dachte ich. „Es ist sicherlich nicht einfach heute in der Gastronomie zu arbeiten. Es wird sich schon legen.“

Aber die Vorfälle vermehrten sich. Ich hörte von vielen meiner Kommiliton*innen, dass man sie regelrecht als Mensch zweiter Klasse behandeln würde. Wir wurden Opfer von GMF.

Wir haben die Geschehnisse der Gruppenleitung gemeldet, die sofort, diplomatisch und wohlwollend eingegriffen hat. Die Situation hat sich geringfügig gebessert.

Kein Unternehmen der Welt kann heute allein mit „guten Produkten“ überleben. Wenn der Service nicht stimmt, kommt der Kunde nicht wieder. Wäre ich Unternehmer, würde ich wissen wollen, wie mein Team mit der Kundschaft bzw. mit den Mitwirkenden umgeht. Denn nur so kann ich die Situation bereinigen. Bin ich Kunde, und die Unternehmensleitung mit der ich zu tun habe, duldet solches herablassendes verhalten, dann bleibe ich nicht lange Kunde und unternehme etwas, um zu verhindern, dass Anderen einem solchen Verhalten ausgesetzt werden.

Mit Respekt behandelt zu werden, ist ein Grundrecht, das nicht nur in unserem Land gilt. Es ist inakzeptabel, seine Mitmenschen schlecht zu behandeln, unhöflich mit ihnen umzugehen oder sie regelrecht offen zu beschimpfen. Dieses Verhalten darf nicht toleriert werden, insbesondere nicht, wenn es sich immer und immer wieder im Rahmen einer studentischen Erfahrungssammlung wiederholt. Dieser offene Brief soll nicht nur als diskreter Weckruf an das renommierte Heidelberger Restaurant dienen. Er soll vor allem für uns alle eine klare Botschaft sein: jeder Mensch verdient es, als gleichwertiger Mensch behandelt zu werden, unabhängig von jeglicher Unterscheidung oder Zuschreibung.


Discover more from Les absurdités de la vie

Subscribe to get the latest posts sent to your email.

Leave a Reply

This site uses Akismet to reduce spam. Learn how your comment data is processed.

Back to Top

Discover more from Les absurdités de la vie

Subscribe now to keep reading and get access to the full archive.

Continue reading